Erst nahmen sie sich die Raucher vor ...

Erst nahmen sie sich die Raucher vor und ich habe den Mund gehalten. Dann nahmen sie sich die Trinker vor und ich habe den Mund gehalten. Dann nahmen sie sich die Dicken vor und ich habe den Mund gehalten. Dann nahmen sie sich mich vor. (Frei nach Martin Niemöller)

Freitag, 5. Oktober 2012

Vom Wesend des Geldes - Banken

In den bisherigen Beispielen hatten wir die Bank immer außen vor gelassen. Trotzdem konnten wir die Entstehung von Geld und die Entstehung von Zins beobachten.

Teil1: Vom Wesen des Geldes - Entstehung von Geld
Teil2: Vom Wesen des Geldes - Zins

Vertrauen

Unser Wirtschaftskreislauf begann damit, dass der Kuhhirt dem Schafhirten seine Kuh geliehen hat. Die beiden haben das untereinander ausgehandelt und einen Zins in Form von Milch vereinbart.

Was aber, wenn die Beiden sich nicht wirklich vertrauen? Was wenn der Kuhhirt mit seiner Forderung von einem anderen Marktteilnehmer als dem Schafhirten etwas kaufen möchte?

Hier kommt die Bank ins Spiel. Wir nehmen an, die Bank hat selbst Besitz im Wert von 10.000.

Wir starten wieder mit:

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 K: 200   | EK: 200     S: 200   | EK: 200      10.000   | EK:10.000
          |                      |                       |

Der Kuhhirt verleiht seine Kuh nun nicht sondern "verkauft" sie an den Schafhirten, der dafür einen Kredit in Höhe von 200 bei der Bank aufnimmt. Die Kreditaufnahme sieht folgendermaßen aus:

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 K: 200   | EK: 200     S: 200   |  B:200       10.000   |       200
          |             B: 200   | EK:200          200   | EK:10.000

Physisch passiert dabei überhaupt nichts. Die Bank schreibt dem Schafhirten die 200 gut und notiert dafür eine Forderung in Höhe von 200. Die 200 sind nun auf dem Konto des Schafhirten, was eine Forderung gegen die Bank darstellt.

Aus der Sicht des Schafhirten gesehen hat er nun 200 auf seinem Konto, dafür aber Schulden in der gleichen Höhe.

Jetzt kauft der Schafhirt die Kuh und bezahlt sie per Banküberweisung.

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 B:200    | EK: 200     S: 200   |  B:200       10.000   |       200
          |             K: 200   | EK:200          200   | EK:10.000

Beim Kuhhirten verwandelt sich seine Kuh in Geld, also in eine Forderung gegen die Bank. Beim Schafhirten passiert das Umgekehrte, sein Bankguthaben von 200 verwandelt sich in ein Kuh.

Bei der Bank hat sich nicht viel geändert. Die Guthaben ihrer Kunden sind Schulden der Bank. Das sind nach wie vor 200, die nun allerdings dem Kuhhirten gehören und nicht mehr dem Schafhirten. Die Forderung von 200 gegen den Schafhirten bestehen weiterhin.

Wieder hat sich keiner bereichert. Das Eigenkapital hat sich bei keinem der Marktteilnehmer geändert.

Zins

Für den Kuhhirten ist dieses Geschäft weniger attraktiv als das Geschäft im zweiten Teil, wo er ja mit dem Schafhirten ausgemacht hatte, einen Teil der Milch zu bekommen. Jetzt hat er lediglich Geld auf dem Konto, bekommt aber keine Milch. Eine direkte Zinszahlung durch den Schafhirten lässt sich kaum einrichten, denn die beiden Hirten stehen jetzt ja nicht mehr in direkten Geschäftsbeziehungen - keiner schuldet dem anderen etwas.

Den Milchzins muss der Kuhhirt nun von der Bank verlangen, gegen die er ja eine Forderung hat. Wieder verlangt er 5% und die Bank zieht diese 5% von ihrem Schuldner, dem Schafhirten ein.

Zunächst erwirtschaftet der Schafhirt wieder Milch im Wert von 20 und zahlt die Zinsen in Höhe von 10 an die Bank. Da er in unserem Beispiel kein Geld hat, muss er sich auch die Zinsen leihen. Ein Guthaben entsteht diesmal nicht, da er die Kreditsumme von 10 sofort an die Bank bezahlen muss. Beim Schafhirten entstehen lediglich Schulden und bei der Bank entsteht eine Forderung von 10.

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 B:200    | EK: 200     S: 200   | B: 200       10.000   |       200
          |             K: 200   | B:  10          200   |         
          |             M:  20   | EK:210           10   | EK:10.010

Die Bank gibt die Zinsen an den Kuhhirten weiter, der dadurch eine Forderung in Höhe von 10 gegen die Bank erhält.

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 B:200    | EK: 210     S: 200   | B: 200       10.000   |       200
 B: 10    |             K: 200   | B:  10          200   |        10 
          |             M:  20   | EK:210           10   | EK:10.000

Der Kuhhirt kann nun Milch vom Schafhirten kaufen, ...

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 B:200    | EK: 210     S: 200   | B: 200       10.000   |       200
 M: 10    |             K: 200   | B:  10          200   |        10 
          |             M:  10   | EK:210           10   | EK:10.000
          |             B:  10   |                       |

... der mit dem Erlös seine Schulden von 10 bei der Bank tilgen kann.

Kuhhirt                 Schafhirt               Bank
----------|---------    ---------|---------     ---------|---------
 B:200    | EK: 210     S: 200   | B: 200       10.000   |       200
 M: 10    |             K: 200   | B:   0          200   |         0 
          |             M:  10   | EK:210             | EK:10.000
          |             B:   0   |                       |
Das ist genau der gleiche Endstand wie im Beispiel ohne Bank. Die Milch floss lediglich nicht direkt vom Schafhirten zum Kuhhirten sondern wurde von den Zinsen gekauft.

Wozu das Ganze?

Der Witz bei der Sache besteht darin, dass sich die Geschäftspartner hier nicht mehr gegenseitig vertrauen müssen. Dafür müssen aber beide der Bank trauen. Von daher ist eine Bank, der man nicht vertraut eigentlich gar keine Bank, denn im Vertrauen liegt ihre einzige Existenzberechtigung.

Und natürlich wird eine Bank von ihrem Schuldner, dem Schafhirten mehr Zins verlangen als sie ihrem Gläubiger, dem Kuhhirten zahlt. So wie wir das hier gespielt haben, verdient die Bank nämlich gar nichts. Das macht keine Bank. Eine Bank lässt sich das Vertrauen, das sie spendet bezahlen.

Geldschöpfung

Es ist interessant festzustellen, dass die 200, die der Kuhhirt bekommen hat, quasi aus dem Nichts entstanden sind. Dass die Bank ein Eigenkapital von 10.000 hat spielte überhaupt keine Rolle.

Manche Leute finden das bedrückend, weil sie glauben, dass das Geld dadurch eigentlich gar keinen Wert hat. Das ist aber so nicht richtig, das Geld hat sehr wohl einen Wert. Es ist wesensmäßig genau dasselbe wie die Forderung von einer Kuh, die der Kuhhirt gegenüber dem Schafhirten hatte. Die Bank hat aus dieser speziellen Forderung lediglich eine allgemein akzeptierte, frei handelbare Forderung gemacht. Das entspricht im Wesentlichen einer "Verbriefung". Man kann daher sagen, dass Geld eine Art verbriefte Forderung ist.

Es ist außerdem interessant, dass nachdem der Schafhirt die Kuh gekauft hat, Geld im Wert von 200 in Umlauf war. Diese Geld gehörte dem Kuhhirten. Dem standen die Schulden des Schafhirten in Höhe von ebenfalls 200 gegenüber. Dieser Zusammehang gilt allgemein: jedem Guthaben steht irgendwo eine Schuld in gleicher Höhe gegenüber. Auch nachdem die Zinsen gezahlt waren, änderte sich daran nichts, nur war der Geldumlauf und und mit ihm die Schulden auf 210 gestiegen. Der Kauf der Milch und die damit verbundene Rückzahlung der Zinsschuld an die Bank brachte den umgekehrten Effekt. Der Geldumlauf und die Schulden sanken um 10.

Wenn man einen Kredit mit Geld begleicht, so löst man eine Forderung (den Kredit) durch eine andere (Geld) ab. Geld und Kredit vernichten sich dabei gegenseitig. Wenn man einen Kredit aufnimmt passiert das Umgekehrte und Geld entsteht.

Mehrere Banken

In unserem Beispiel waren die beiden Marktteilnehmer bei der selben Bank. Daher änderte eine Überweisung die Bilanz der Bank überhaupt nicht. Was aber, wenn der Kuhhirt bei einer anderen Bank ist?

Wenn dann die Bank den Kredit von 200 an den Kuhhirten überweist, dann kann sie nicht einfach die 200 aus den Büchern streichen. Die 200 waren eine Verbindlichkeit der Bank gegenüber dem Schafhirten. Ein Finanzsystem, wo man Verbindlichkeiten einfach streichen kann wäre eine lustige Sache.

Nein, es muss wieder eine Verbindlichkeit entstehen. Nach der Überweisung besteht die Verbindlichkeit gegenüber der Empfängerbank, bei der wiederum eine Verbindlichkeit gegenüber dem Überweisungsempfänger (dem Kuhhirten) besteht.

Bei einem ausgewachsenen Wirtschaftssystem überweisen sich die Banken ständig gegenseitig Geld. Wenn es gut läuft, dann gleichen sich diese Zahlungsströme im Mittel aus und keine Bank schuldet einer anderen etwas.

Wir aber bei einer Bank deutlich mehr abgebucht als zugebucht, dass verschuldet sie sich immer mehr bei anderen Banken. Ihre Gesamtschulden ändern sich dadurch jedoch nicht, denn diese Schulden waren vorher Schulden gegenüber ihren eigenen Kunden.

Bankenpleiten

Wenn nun aber eine Bank pleite geht, werden die Forderungen der Empfängerbanken wertlos. Wenn ein Schafhirt pleite geht, kann das ein Finanzsystem leicht verschmerzen. Die Pleite einer Bank wirkt aber wie der Bankrott von hunderttausend Schafhirten.

Von daher habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass man Banken nicht einfach pleite gehen lassen mag. Wenn ich dazu bereit bin, den Ausfall von Forderungen zu riskieren, kann ich gerade so gut Kredite direkt an meine Geschäftspartner vergeben.

Der Sinn des (Giral-)Geldes und einer Bank besteht ja gerade darin, dass ich mir über Forderungsausfälle keine Sorgen machen muss. Das Geld auf meinem Konto ist eine Forderung gegen die Bank und auf diese Forderung muss ich mich stärker verlassen können als auf ein Versprechen, dass mir ein Geschäftspartner gegeben hat. Und wenn Banken zu viel Vertrauen verlieren, werden die Marktteilnehmer anfangen Forderungen selbst zu handeln, sprich sie werden damit bezahlen und sie werden sie als Zahlungsmittel akzeptieren. Das ist eine holprige Sache und tut der Wirtschaft nicht gut.












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