Erst nahmen sie sich die Raucher vor ...

Erst nahmen sie sich die Raucher vor und ich habe den Mund gehalten. Dann nahmen sie sich die Trinker vor und ich habe den Mund gehalten. Dann nahmen sie sich die Dicken vor und ich habe den Mund gehalten. Dann nahmen sie sich mich vor. (Frei nach Martin Niemöller)

Sonntag, 12. August 2012

Kartoffelbrei aus der Apotheke

Die Tabakkontrolle, die Pharma-Industrie und die Finanzminister haben ein Interesse daran, dass weiter Zigretten geraucht werden und bekämpfen daher gemeinsam Konkurenzprodukte wie Snus und die e-Zigarette. Es gibt aber noch einen vierten Akteur: Regulierungsbehörden wittern einen neuen Markt.

In vielen Ländern wurde versucht e-Zigaretten als Medikament zu behandeln. Die Logik dahinter dürfte Folgende sein: wenn die Hersteller mitspielen und einen Zulassungsprozess durchlaufen, haben sich die Regulierungsbehörden einen neuen Markt und eine neue Einnahmequelle geschaffen. Das dürfte der erwünschte Effekt sein.

Spielen die Hersteller aber nicht mit und schließen ihren Laden oder beliefern nur noch den Schwarzmarkt, werden e-Zigaretten schwerer zu beschaffen sein. Die Regulierungsbehörden selbst bekommen dann zwar nichts mehr vom Kuchen ab, aber der Trend weg von der Tabakzigarette wird immerhin verlangsamt, was der Tabakkontrolle, der Pharma-Industrie und den Finanzministern nützt - alles Geschäftspartner der Regulierer.

Zwei Stoßrichtungen
 
Es gibt im wesentlich zwei Stoßrichtungen: e-Zigaretten werden als Tabakprodukt reguliert (obwohl sie keinen Tabak enthalten), oder sie werden als Merdimament reguliert (obwohl sie nicht vorgeben eine Krankheit zu heilen).

2010 diskutierte die Britische Regulierungsbehörde MHRA, wie e-Zigaretten reguliert werden sollten. Es wurden drei Optionen diskutiert:
  • e-Zigaretten werden sofort vom Markt genommen
  • e-Zigaretten werden als Medikament reguliert, und den Herstellern wird eine Übergangaszeit gewährt.
  • Für die nächsten 18 Monate bleibt alles so wie es ist.
Die vorgelegten Dokumente sind hier einsehbar. Interessant ist die Einteilung der Anworten von Bürgern und Fachleuten: die Meinung der überwältigenden Mehrheit war: "haltet euch da raus" ("take no action"). Gerade mal eine Antwort spach sich dafür aus, e-Zigaretten vom Markt zu nehmen.

Schließlich wurde entschieden für die nächsten 18 Monate gar nicht zu tun. Das gibt der MHRA Zeit sich ihren nächsten Zug zu überlegen.

Pharma-Nikotin genießt Narrenfreiheit

Dabei kam ein interessantes Detail ans Licht: für das Nikotin, das Nikotinpflaster und -Kaugummis dem Körper zuführen gibt es keine unteren oder oberen Grenzwerte. Solche Präparate sind zwar als Medikamente zugelassen, aber es wird weder verlangt, dass sie überhaupt Nikotin abgeben, noch dass die Dosis einen bestimmten Maximalwert nicht übersteigt. Was sie als Medikamente qualifiziert ist nicht das Nikotin, sondern die Tatsache dass sie als Therapie gegen Nikotinsucht angeboten werden, und dass die Hersteller bereit waren einen Zulassungsprozess zu durchlaufen.

Die Politiker spielen mit

In Deutschland arbeiten Politiker wie Barbara Steffens daran, den Regulierungsbehören diesen neuen Markt zu erschließen. In Holland hat Edith Schippers ähnliches versucht. Deren Motivation ist mir nicht klar, denn einen unmittelbaren Nutzen können Politiker aus einem Verbot oder einer Regulierung von e-Zigaretten nicht ziehen.

Als Frau von der Leyen seinerzeit DNS-Sperren als Mittel gegen Kinderpornographie durchsetzte, stellte sich die gleiche Frage: was hat sie denn davon? Schließlich gibt es bessere Mittel gegen Kinderpornographie (Webseiten schließen), die sich obendrein nicht so leicht als Zensurinstrument missbrauchen lassen.  Dass die Ministerin  gerne ein emotional aufwühlendes Thema besetzen wollte sei ihr ja gegönnt. Das erklärt aber nicht warum sie sich ausgerechnet für ein wirkungsloses Mittel entschieden hat. Bleiben eigentlich nur zwei Erklärungen: entweder hat sie die Sache nicht durchschaut, oder die Möglichkeit zur Zensur war ein erwünschter Effekt.

Bei den Politikern, die sich heute gegen die e-Zigarette einsetzen bieten sich die gleichen Erklärungen an: entweder kennen sie sich nicht aus, oder sie sind aktive Teilnehmer dieses Drogenkriegs. Einzig die Piraten sind mir als eine Partei aufgefallen, die sich um eine sachliche Diskussion bemüht.

Der Markt für Regulierungen

Nun kann es nicht sein, dass sich eine Regulierungsbehörde einfach selbst einen neuen Markt schafft indem sie sagt: "das regulieren jetzt wir". Das wäre eine Lizenz zum Gelddrucken. Es muss eine Gegenkraft geben, die verhindert, dass Regulierer ihren Einflussbereich über alle Grenzen ausdehnen.

Eine solche Gegenkraft sind die Gerichte, die immerhin Barbara Steffens und Edith Schippers vorerst zurückgepfiffen haben. Für eine Regulierungsbehörde ist es einfach zu sagen: "Wir regulieren jetzt Kartoffelbrei, denn Kartoffeln enthalten Nikotin", dem entgegenzutreten bedarf aber eines finanzkräftigen Klägers. Es dürfte schwer werden die Regulierungsbehörden durch Klagen im Zaum zu halten, denn ein verlorener Prozess schmerzt sie nicht wirklich.

Auch unter den Regulierungsbehörden gibt es Konkurrenz, denn es gibt eine ganze Menge davon. Möglicherweise können die Produzenten darauf hinwirken, dass die "beste" Behörde den Zuschlag bekommt. Es ist in etwa so, wie wenn zwei konkurierende Mafia-Banden beide Schutzgelder im gleichen Bezirk erpressen. Langfristig wird nur eine Bande überleben, und mit etwas Glück ist es die billigere.

Warum sind die Medien gleichgeschaltet?

Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Massenmedien hier eine ausgleichende oder gar aufklärende Rolle einnehmen. Die Medien erscheinen merkwürdig gleichgeschaltet. Das mag daran liegen, dass sie es gewohnt sind schlechte Nachrichten zu verbreiten, und die e-Zigarette daher lieber als Gefahr denn als Wohltat hinstellen. Einzig die "Zeit" fällt diesbezüglich hin und wieder durch eine seröse Berichterstattung auf.

In der Dampfeszene wird immer wieder versucht den Regulieren mit Argumenten entgegenzutreten. Das hat einen gewissen Effekt, vor allem wenn diese Argument später vor Gericht Verwendung finden. Dennoch ist dies ein eher schwaches Mittel. Man kann einem Schutzgelderpresser ja auch nicht mit Argumenten kommen, der weiß schließlich selbst, dass er eigentlich nichts schützt und im Grunde völlig überflüssig ist.

Die Dampferszene wird nur dann Erfolg haben, wenn es gelingt die Gegenkräfte zu identifizieren und zu mobilisieren. Da die Medien nicht in Fage kommen und die Gerichtsverfahren teuer und riskant sind, wird das nicht einfach.

Durch und durch scheinheilig

Die Dampfer haben vier mächtige Interessensgruppen gegen sich, und wenn man die klassische Tabakindunstrie dazunimmt, die ja auch einen kleinen Teil des Kuchens abbekommt, dann sind es sogar fünf.

Aber die Zahl der Dampfer steigt schnell. Es wird immer schwieriger ein Vebot oder eine Regulierung durchzusetzen, ohne dass dabei die Scheinheiligkeit dieses Unternehmens auffliegt.

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