Wieviele rauchen eigentlich?
Versucht man einmal herauszubekommen, wie erfolgreich die verschiedenen Länder der EU das Tabakrauchen bekämpft haben, stößt man auf widersprüchliche Informationen.
Laut Wikipedia rauchen in Deutschland 26% der Erwachsenen, in Schweden sind es 29% und der EU Durchschnitt liegt bei 32%. In der Diskussion zur Wikipedia Seite wird denn auch beklagt: Die Statistiken zur Verbreitung des Tabakkonsums in Deutschland sind teilweise sehr veraltet.
Laut einer Eurostat Statistik (veröffentlicht 2011) rauchen in Deutschland ebenfalls 26% der Deutschen, aber in Schweden rauchen nur 15,5% der Erwachsenen. Aber auch hier steht im Kleingedruckten: Die HIS-Daten wurden je nach Land in verschiedenen Jahren erhoben, im Zeitraum von 1996 bis 2003. Laut einer Statistik von EurActiv rauchten 2005 25% der Deutschen und 18% der Schweden.
Und so geht es weiter. Auf einer website der "medical health" Organisation WrongDiagnosos steht immerhin deutlich sichtbar ACHTUNG EXTRAPOLIERTE STATISTIK. Sie basiert nicht auf Datenquellen aus einzelnen Ländern. Die Zahlen sind obendrein nicht in Prozent angegeben und lassen sich nicht ohne weiteres mit den anderen Zahlen vergleichen.
Ein irisches raucherfreundliches Blog stellt verwundert fest: Die verlässlichsten Statistiken über das Rauchen stammen von der Tabakindustrie. Die Verbreitung des Rauchens lässt sich anhand der Verkaufzahlen abschätzen. Keine Statistik berücksichtigt Importe von anderen Ländern.
Macht man also Zigaretten in einem Land teurer, werden sich die Raucher vermehrt Zigaretten aus dem Ausland besorgen. Dadurch sinken die Verkaufszahlen im Inland was leicht als ein Rückgang der Raucherquote interpretiert werden kann.
Es ist schwer in irgendeine Richtung zu argumentieren. wenn man nichtmal mehr weiß wieviele Menschen eigentlich rauchen. Der Artikel könnte hier eigentlich aufhören. Keine Zahlen, keine Argumentation.
Gehen wir aber mal davon aus, dass die Zahlen die wir finden können immer noch besser sind als gar keine Zahlen. Dann kristallisiert sich heraus, dass man in Skandinavischen Ländern weniger raucht als im Rest der EU. Schweden wird häufig als Spitzenreiter unter den Nichtraucherländern genannt (wenn auch nicht in Wikipedia). In Deutschland raucht man weniger als im EU Durchschnitt.
Und wieviele sterben daran?
Will man abschätzen, wieviele Menschen an den Folgen der Rauchens sterben, kann man nicht einfach die Totenscheine zählen auf denen als Todesursache "Rauchen" steht. Solche Totenscheine gibt es nämlich nicht. Stattdessen versucht man durch Studien das relative Risiko des Rauchens abzuschätzen und multipliziert dieses dann mit der Gesamtzahl der Raucher.
Da die Gesamtzahl der Raucher aber nur grob bekannt ist, kann man sich dabei in die eine oder die andere Richtung ordentlich verschätzen. Möglicherweise sterben sehr viel mehr an den Folgen des Rauchens als bisher angenommen, möglicherweise aber auch viel weniger.
Was man alles mit Statistiken anstellen kann zeigt folgendes Beispiel. In einer Story aus dem Philadelphia Inquirer liest man erstaunt, dass 60% der Lungenkrebsfälle auf ehemalige Raucher entfielen und nur 21% auf Leute, die niemals geraucht haben. Dann verbleiben 19% der Fälle für aktive Raucher und sie wären unter den drei Gruppen, diejenige, die am besten vor Lungenkrebs geschützt wäre.
Eine Vielzahl von Statistiken findet man auf NationalMaster.com. Hier rauchen 24,3% der Deutschen und 17,5% der Schweden, was sie erneut zu den am wenigsten rauchenden EU Bürgern macht. Am meisten wird in Österreich geraucht (36,3%). Diese Website listet auch Statistiken über die Lebenswerwartung. Sie beträgt in Deutschland 79,1 Jahre, in Schweden 80,74 Jahre und in Österreich 79,36 Jahre. Man erkennt eine gewisse Korrelation: In Österreich raucht ein mehr als doppelt so großer Anteil der Bevölkerung als in Schweden, dafür leben die Schweden gut ein Jahr länger.
In Japan lebt man aber noch länger, nämlich 82,07 Jahre und dort rauchen 30,3% der Bevölkerung. Obwohl dort mehr geraucht wird als in Schweden oder Deutschland lebt man dort länger.
NationalMaster erlaubt es auch Korrelationen zwischen dem Prozentsatz der "täglichen Raucher" und anderen Statistiken zu erstellen. Je mehr Leute rauchen, desto geringer ist der Pro-Kopf Energieverbrauch und desto geringer ist die Bereitschaft bei einem Boykott mitzumachen. Was sagt uns das alles? Eigentlich gar nichts.
Wie hoch ist das Risiko?
Was bedeutet es eigentlich, wenn man sagt "das Risiko erhöht sich um 50%"? Wenn, sagen wir von 1000 Leuten normalerweise zwei an etwas erkranken und in Anwesenheit eines zusätzlichen Risikofaktors sind es drei, dann hat sich das Risiko um 50% erhöht.
Ist 50% nun viel oder wenig? Nun - das hängt davon ab, wieviele andere Risiken es gibt. Wenn von 1000 Leuten 80 aus anderen Gründen an irgendetwas anderem erkranken, dann kann mir der eine zusätzliche Kranke ziemlich egal sein. Aber eine Erhöhung von 200 auf 400 Kranke in 1000 Leuten wäre auch eine 50%ige Erhöhung des Risikos. Das kommt uns viel vor, und warum ist das so? Weil wir instinktiv und zu Recht annehmen, dass 200 zusätzliche Kranke wahrscheinlich jedes andere Risiko verblassen lassen.
Die relative Risikoerhöhung sagt uns also nicht allzuviel. Es macht nunmal einen Unterschied, ob sich das Risiko von 0.1% auf 0,15% erhöht, oder von 10% auf 15%. Diese simple Wahrheit wird leicht vergessen und das führt dazu, dass man Menschen mit fast allem Angst machen kann, so absurd es auch sein mag. Sehr wenige Menschen werden in Deutschland vom Blitz getroffen. Könnte ich ein Gerät verkaufen, dass die Wahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden um 30% senkt? Wahrscheinlich ja.
Die Statistiker sind da weniger pragmatisch. Wenn die einen Effekt nachweisen wollen, dann wollen sie vor allem sicher sein, dass ein Effekt überhaupt existiert. Kleine Effekte sind eine Herausforderung und nicht uninteressant. Ob ein Effekt gesellschaftlich relevant ist - darum müssen sich andere kümmern.
Gibt es auch positive Effekte?
Kaum ein Ding auf diesem Planeten ist ausschließlich gut oder ausschließlich schlecht. Oft kann man allerdings abschätzen, ob die positiven oder negativen Effekt überwiegen. Stößt man auf ein Ding, das "nur gut" oder "nur schlecht" ist, dann kann man eines mit Sicherheit folgern: es liegen nicht alle Fakten auf dem Tisch.
Es ist also zu erwarten, dass auch Rauchen positive Effekte hat. Diese mögen gegenüber den Risiken vernachlässigbar sein, aber uns wäre dennoch wohler, wenn wir überhaupt davon Kenntnis hätten.
Es wird beispielsweise behauptet, dass Raucher ein 30-60% geringeres Riskio haben an Parkinson zu erkranken. In Deutschland erkranken rund 1% der über 60jährigen an Parkinson. Ferner wird behauptet, dass Rauchen vor Alzheimer schützen soll. In Deutschland gibt es über eine Million Demezkranke.
Wie gefährlich ist Passivrauchen?
Hier ist die Faktenlage völlig unübersichtlich. Große Teile der Bevölkerung halten Passivrauchen für gefährlich, manche sogar für gefährlicher als Rauchen. Andere wiederum weisen darauf hin, dass die Gefährlichkeit von Passivrauchen keineswegs bewiesen ist. Die meisten davon glauben jedoch, dass die Gefahr den Rauchens sehr wohl real und bewiesen ist.
Diese Ungewissheit ist nicht erstaunlich: wenn man kaum weiß wieviele Menschen überhaupt rauchen, wieviel schwieriger muss es dann sein, den Anteil der Passivraucher abzuschätzen. Da helfen keine Verkaufszahlen der Tabakindustrie mehr, hier muss man Umfragen durchführen mit all den damit verbundenen Unabwägbarkeiten.
Das Thema Passivrauchen ist sehr komplex. Ich werde es in einer der nächsten Folgen genauer untersuchen.
Fazit
Aus den verfügbaren Zahlen lässt sich nur mit großer Mühe ein praxisrelevanter Schluss ziehen. Sicher ist eigentlich nur dass Rauchen keine gesundheitsfördernde Wirkung hat. Ohne rot zu werden kann man auch noch Folgendes vorbringen:
- Der Einfluss des Rauchens auf die Lebenswartung ist weniger prägnant als man denken würde
- Rauchen erhöht aber die Wahrscheinlichkeit an Lungenkrebs zu sterben, was keine schöne Todesart ist.
- Deshalb raucht man besser nicht.
- Das mit dem Passivrauchen schauen wir uns noch genauer an
.
- wird fortgesetzt -
ungewöhnlich differenziert. Schön, dass es das auch noch gibt : )
AntwortenLöschen